Indoor-Aquakultur in Tirol: Besatzfischzucht in der Kreislaufanlage
Hopfgarten im Brixental. Ein gewisser Innovationsdrang liegt in der Luft, doch man kann ihn noch nicht recht zuordnen. Unscheinbar zwischen Lagerhalle und Wasserkraftwerk sieht man eine große isolierte Schiebetür. Ein Spalt steht offen, eine spürbare Wärme tritt aus. Die beiden bitten schnell einzutreten, die Wärme darf nicht entweichen. Wir stehen in mitten einer kleinen aber sehr feinen Warmwasserkreislaufanlage für die Besatzfischaufzucht von afrikanischen Welsen, das Herzensprojekt der beiden Fischenthusiasten Lukas und Natalie Grießer.
Aller Anfang braucht Ausdauer und Mut
Dass die Kreislaufanlage bei einem Wasserkraftwerk errichtet wurde, ist kein Zufall, denn die Quelle reinigt nicht nur die Turbine des Kraftwerks, sondern sorgt auch vorab für die Wasserversorgung der Welse. Fische begleiteten Natalie und Lukas schon seit ihrer Kindheit. In Aquarien der Eltern fanden die ersten Kontakte mit Kreislauftechnik und Züchtung statt. Natalies Familie sind Hobbyfischer, also der Kontakt mit der Faszination Fisch wurde beiden schon sehr früh in die Wiege gelegt. Beruflich entschieden sie sich, ihrer Faszination für Fische nachzugehen und planten vorerst, Forellenteichwirtschaft zu betreiben. Die Suche nach dem geeigneten Standort blieb erfolglos, weshalb alternative Ideen angedacht wurden. „Lukas war bereits voll vom Fischfieber gepackt worden und konnte von der Idee mit Fischen zu arbeiten nicht abkommen, sein Talent zum Netzwerken half ihm dabei sehr“, so Natalie, die das Fieber kurz nach der vielversprechenden Idee ebenso packte. Beim Rückblick in seine Kindheit und nach einigen Telefonaten kam Lukas Grießer der Geistesblitz und die Idee einer Kreislaufanlage war geboren. Eine fundierte Internetrecherche verfeinerte und erweiterte die Idee. Schnell wurde das Konzept einer wasserrecycelnden Kreislaufanlage gefunden und nicht nur das, sogenannte Plug and Play Systeme haben es ihm angetan. Diese Anlagen haben den Vorteil, dass sie sofort einsatzfähig und ohne jeglichen Eigenbau betrieben werden können. Die Nachteile zeichnen sich in den hohen Anschaffungskosten aus.
Der Einstieg in die Aquakultur
Im kleinen Stil und für das eigene kulinarische Vergnügen starteten die beiden 2022 ihre erste, wohl gemerkt selbstgebaute, Kreislaufanlage mit handelsüblichen Aquarienbecken, wobei das größte davon 750 Liter fasste. „Der Nil Tilapia war der perfekte Fisch, um die Abläufe und Produktion einer Kreislaufanlage im kleinen Stil kennenzulernen“ so Lukas, der jedoch schnell von diesem Süßwasserfisch aus der Familie der Buntbarsche abgekommen ist. „In der Mast ist er für uns nicht wirtschaftlich, in unseren Versuchen erreichten die Fische erst nach 8-9 Monaten ein schlachtfähiges Gewicht von 400-500 Gramm und obendrein bekommt man diesen Fisch ganz billig aus dem Ausland. Der schnellwachsende afrikanische Wels war da schon vielversprechender“, so Lukas Grießer. Die Welse in Setzlingsgröße bezogen die beiden aus einer Anlage in Deutschland. Die ersten Erfahrungen waren anfangs ein klassisches Learning by Doing. Zum Beispiel verstopften die kugelartigen Ausscheidungen regelmäßig den mechanischen Filter, der 2x täglich gereinigt werden musste. Eine weitere große Herausforderung war das rasante Wachstum der Tiere, die Versuchsanlage platzte sprichwörtlich aus allen Nähten und eine Anlagenerweiterung musste her. Der Kauf einer gebrauchten Indoor-Kreislaufanlage im Jahr 2020 aus Deutschland verschaffte Abhilfe. Diese fasste 4,72 m³ Volumen. Das war damals eine große Erweiterung, betrachtet rückblickend das Bewirtschafterpaar und lächelt dabei ein wenig. Nun stand auch die Entscheidung fest, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Namen Aquatirol zu gründen und diesen im Nebenerwerb zu führen. Rückblickend auf den Prozess der Betriebsneugründung betonen die beiden Bewirtschafter: „Vor allem beim Projekteinstieg waren wir für die Hilfe der Landwirtschaftskammer sehr dankbar, sie war uns ein Wegweiser bei den Meldepflichten und brachte uns auf Schiene bei Fragen rund um die Fischaufzucht in Kreislaufanlagen“.
Aktuelle Entwicklungen
Bis 2024 wurde kontinuierlich weiterentwickelt, intensiv getüftelt und dabei so manche Träume verwirklicht. Zwei dänische Plug and Play Systeme wurden angeschafft, eine für die Brutfische und eine weitere für die Aufzucht der Fische. Die aktuelle Produktion lässt sich sehen, 5 bis 6 Millionen Setzlinge werden pro Jahr an Kunden aus aller Welt geliefert. Italien, Deutschland, Gran Canaria, Montenegro und die Schweiz zählen bereits zu den belieferten Zielländern, und auch Amerika steht in Aussicht – eine vernetzte Welt macht es möglich. Einer ihrer ersten Kunden ist die Kreislaufanlage Obermühlefisch in Ingolstadt, Deutschland. Geschäftspartner und Manager der Anlage Bernd Hermann kauft Besatzfische aus Tirol und mästet sie zu speisefertigen Welsen. Hochwertige Welsprodukte wie marinierte Filets für den Grill vermarktet Bernd Hermann schließlich über einen Onlineshop.
Fischvermehrung - von der Kinderstube zum Besatzfisch
Alles beginnt, wie so oft, bei der sorgfältigen Auswahl und Pflege der Elterntiere. Männliche und weibliche Welse, die Brutpaare, werden selbst aufgezogen und bei bester Pflege in einem Rundbecken à 4,7 m³ Wasservolumen bei ca. 26,5°C gehalten. Zur Sicherstellung der genetischen Vielfalt werden bei Bedarf erstklassige Zuchttiere aus Deutschland zugekauft. Das Weibchen, auch Rogner genannt, wird durch behutsame Bewegungen mit der Hand über ihren Bauch abgestreift, um die Eier zu gewinnen. Diese werden in einem sauberen Kunststoffbehälter gesammelt und mit der so genannten Milch, den Spermien des Männchens, vermengt. Vorher muss der Milchner fachgerecht betäubt und geschlachtet werden, um das Hodengewebe mit den Spermien zu gewinnen. Vor der Vermischung der Samenzellen mit den Eiern überprüft Lukas Grießer die Samenqualität unter dem Mikroskop. „Je schneller die Spermien schwimmen, desto besser ist ihre Qualität“, so der Fischprofi, der dabei auf seine flinken Fischlarven zeigt.
Nach einer kurzen Befruchtung im Kunststoffbehälter werden die Eier gewaschen und in die Brutbecken transferiert. In Brutrahmen, die auf der Wasseroberfläche schwimmen und mit einem feinmaschigen Bodennetz versehen sind, reifen die befruchteten Eier unter Sauerstoffzufuhr mittels Membranpumpen 24 bis 36 Stunden heran, bis die Fischlarven schlüpfen. Beim Schlüpfen schwimmen die Larven durch das Netz hindurch und die Reste der Eier verbleiben im Brutrahmen. Somit können diese ohne großen Aufwand entfernt werden. In diesem Stadium ist der regelmäßige Wasserwechsel das Um und Auf, um einen Eiweißüberschuss durch das ständige Schlüpfen der Larven im Wasser zu vermeiden. In den ersten 2 Tagen füttert Lukas Grießer das junge Leben mit Artemia. Diese sind auch bekannt als Urzeitkrebschen oder Salzkrebschen und werden als Lebendfutter eingesetzt, da sie für Fischlarven leicht verdaulich sind. Ab dem dritten Tag wird bereits pulverartiges Fertigfutter mit einem Durchmesser von 0,13 mm im Verhältnis 1:4 beigemengt. Dieses Verhältnis ändert sich in den nächsten zwei Wochen so lange, bis das Fertigfutter die Artemia ersetzt hat. Es ist also einiges an Fingerspitzengefühl und Erfahrung bei der Futterumstellung gefragt. Mit dem voranschreitenden Wachstum der Fische ändert sich nicht nur die Größe des Futters, sondern auch der Anlagetyp.
Ab einem Futterdurchmesser von 0,6 mm kommen die jungen Welse vom Brutbecken in die Aufzuchtanlage. Am Ende wiegen die Jungfische 5-10 g und sind in etwa 8-9 cm groß. In diesem Stadium bekommen sie Fertigfutter mit einem Durchmesser von 1,2 mm und sind bereit für die Reise in die Mastanlagen der Kunden von Lukas und Natalie Grießer, wo sie weiter zu speisefertigen Welsen mit durchschnittlich 1,5 bis 2 kg heranwachsen.

Zukunftsvisionen
Wenn man Lukas Grießer fragt, welche Innovationen und Zukunftsvisionen seinen Betrieb auszeichnen, kommt er erst richtig in Fahrt. Von Spezialfuttermitteln, welche noch besser an die Bedürfnisse der Fische und die Produktionsbedingungen angepasst sind, bis zur Abwärmenutzung des Wasserkraftwerkes, um den Wärmebedarf der geplanten Anlagenerweiterung zu decken. Die Ideen scheinen schier endlos zu sein. Doch Lukas und Natalie bleiben dennoch am Boden der Tatsachen und überlegen sich die nächsten Schritte in der Betriebsplanung genau. Wirtschaftliche Kalkulationen verschiedener Szenarien sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Beim Beschreiten innovativer Wege fehlen jedoch oft verlässliche Anhaltspunkte und Kennzahlen. Die Anlagenerweiterung steht als nächstes am Plan, in Zukunft soll neben der Besatzfischproduktion eine Mastanlage für 25 Tonnen Jahresproduktion mit Afrikanischen Raubwelsen errichtet werden. Doch nun heißt es einmal, eines nach dem anderen.
Infobox: Kreislaufanlage und Landwirtschaft, ein Fahrplan
Die Haltung von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse gilt als landwirtschaftliche Urproduktion. Zu den Nutztieren gehören auch Fische aus Kreislaufanlagen, die in diesem Sinne genutzt und gehalten werden. Wer die Absicht hat, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu gründen, muss einige Meldepflichten beachten.
Es gibt Meldepflichten aufgrund der Aquakultur-Seuchenverordnung (BGBl. II Nr. 315/2009). Der Betreiber hat vor Aufnahme der Tätigkeit eine Registrierung (§ 4) oder Genehmigung (§ 3) des Aquakulturbetriebs bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, in der Regel bei der Abteilung für Veterinärangelegenheiten, zu beantragen. Eine VIS (Veterinär-Informationssystem) Nummer wird zugeteilt.
Über die so genannte Einzelertragswertfeststellung prüft das Finanzamt eine Kreislaufanlage und vergibt, entsprechend den Ertragsverhältnissen, einen landwirtschaftlichen Einheitswert. Der Einheitswert wiederum ist die Grundlage zur Beurteilung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) und für die Einkommensteuer, falls eine Gewinnpauschalierung in Betracht kommt. Die Meldung bei der SVS und beim Finanzamt hat binnen Monatsfrist zu erfolgen. Bei der Aufnahme in das land- und forstwirtschaftliche Betriebsinformationssystem (LFBIS) unterstützt die Bezirkslandwirtschaftskammer/Bezirksbauernkammer. Hier erhält man eine landwirtschaftliche Betriebsnummer.
Über die so genannte Einzelertragswertfeststellung prüft das Finanzamt eine Kreislaufanlage und vergibt, entsprechend den Ertragsverhältnissen, einen landwirtschaftlichen Einheitswert. Der Einheitswert wiederum ist die Grundlage zur Beurteilung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) und für die Einkommensteuer, falls eine Gewinnpauschalierung in Betracht kommt. Die Meldung bei der SVS und beim Finanzamt hat binnen Monatsfrist zu erfolgen. Bei der Aufnahme in das land- und forstwirtschaftliche Betriebsinformationssystem (LFBIS) unterstützt die Bezirkslandwirtschaftskammer/Bezirksbauernkammer. Hier erhält man eine landwirtschaftliche Betriebsnummer.
Bei Fragen zum Einstieg in die Aquakultur und den Meldepflichten unterstützt Sie Benedikt Berger, MSc. mit dem Aquakultur-Beratungsangebot der Landwirtschaftskammern.